16. Dezember (Werbung)
Werbung, sie ist allgegenwärtig. Im Fernsehen, auf Lein- und Plakatwänden, in Zeitungen bis hin zu den Produkten, die wir nutzen. Auch sie werben, wenn natürlich nicht nur, ebenso wie mitunter Zeitungsartikel und Dokumentationen, wenn natürlich nicht nur. Auch ich möchte an dieser Stelle noch einmal für den gestrigen Artikel werben, natürlich (nur), weil er thematisch zu diesem Artikel passt. Aber das ist nur eine Empfehlung! Ihr könnt, ihr dürft sie ignorieren! Freie Entscheidung!Das Problem der Werbetreibenden, …
Also, weiter: Werbung wird natürlich gemacht, um Interessenten für Produkte zu gewinnen, die sonst nicht auf die jeweiligen Produkte aufmerksam geworden wären. Sie kann also nur dann lohnend sein, wenn sie wahrgenommen wird. Weil wir als Konsumenten im Alltag oft mit Werbung konfrontiert werden, verstehen wir uns jedoch ganz gut darauf, sie auszublenden. Das funktioniert dann besonders einfach, wenn ihre Präsentation immer wieder bestimmte Formen einhält und an einschlägigen Orten vorkommt, und wenn sie damit vom Rest drumherum abgrenzbar ist. So überlesen wir mit Bildern gestaltete Werbeanzeigen in Zeitungen und übersehen sie auf Internetseiten, wenn wir es nur darauf abgesehen haben, Textblöcke zu lesen. Wir übersehen Plakatwände, suchen wir nach Hausnummern und Straßennamensschildern. Und wir stellen einen anderen Fernsehsender ein, wenn die Werbeunterbrechung anfängt.
… ihr Umgang damit …
Nun ist das natürlich nicht im Interesse der Werbetreibenden. Es wird versucht, weiterhin die Aufmerksamkeit auf das Werbemedium und insbesondere die Werbebotschaft zu lenken. Wir sollen für sie nicht nur empfänglich sein, wenn wir nach Schönem suchen und dabei selbst vor Werbung nicht halt machen, das beworbene Produkt schon besitzen, oder nur in einem Anflug von Langeweile, Müßiggang oder auch wissenschaftlichem Interesse. Welche Wege gehen die Werbetreibenden, um unsere Aufmerksamkeit zu erhaschen?
Sie bleiben den klassischen Werbeformen durchaus treu (deren Vorteile sind ja durchaus groß: Hoher Verbreitungsgrad, vorhandene Infrastruktur, überschaubare Kosten, etc.): Es wird eine Werbeanzeige in der Zeitung oder auf einer Internetseite geschaltet, dabei beispielsweise allerdings versucht, sie den umgebenden Informationen und ihrer optischen Aufbereitung möglichst ähnlich erscheinen zu lassen. Googles AdWords-Konzept scheint u.a. auf dieser Idee zu beruhen, mittlerweile eine ziemlich dominante Werbeform im Internet. Ein schönes Beispiel findet sich hier (1; dass man die Werbung kaum findet, zeigt wohl, wie geschickt sie plaziert ist), und deutlich macht es natürlich auch die Bild (bild.de), vor allem, wenn man auf der Startseite etwas weiter hinunterscrollt, auf der rechten Seite (manchmal steht klein “Anzeige” dabei, der Rest allerdings ist im selben Stil wie Banner zu redaktionellen Inhalten gestaltet).
Eine andere Möglichkeit ist, den Inhalt der Werbeanzeige unkonventionell zu gestalten, wie es beispielsweise der Media Markt oder Saturn tut, und damit Aufmerksamkeit zu erhaschen (wobei unkonventionell nicht provokant im Sinne von niveaulos bedeuten muss, wie beispielsweise die Werbeaktion der Berliner Philharmoniker zeigt, deren Motive mittlerweile sogar auf “Fanshopartikeln” erhältlich sind (2)).
Eine weitere Möglichkeit besteht darin, die zur Verfügung stehenden Werbemedien möglichst total zu besetzen. So geschehen zur Markteinführung des Golf-Konkurrenzmodells von Toyota, dem Auris. Für 10 Tage wurden nahezu alle von der Straße aus sichtbaren, verfügbaren Plakatwände in Deutschland mit verschiedenen Kampagnenmotiven gepflastert. Die Aktion kostete ca 12 Mio. EUR und dürfte wohl kaum jemandem entgangen sein (3).
Und noch eine Möglichkeit gibt es für Werbetreibende, die Aufmerksamkeit potentieller Kunden deren Umgehungstaktiken zum Trotz auf die Werbebotschaft zu ziehen, obwohl diese klassisch präsentiert wird: Man erweitert den Rahmen des Werbemediums. So hat beispielsweise Otto für eine Kampagne Werbetafeln mit einem blinkenden Bluetooth-Sender ausgestattet. Allein schon deshalb zogen sie die Aufmerksamkeit auf sich (Werbetafeln blinken ja normalerweise nicht). Zusätzlich konnte man, brachte man sein Bluetooth-fähiges Handy in die Nähe des Senders, weitere Informationen anfordern. Der Betrachter sollte also die sonst übliche Passivität verlassen und die Werbebotschaft auf eine gewisse Art “erleben”, in Interaktion treten.
Ein wichtiges Mittel, Werbebotschaften mit einem hohen Wirkungsgrad zu verbreiten, besteht also dahin, die Ausblendetaktiken der umworbenen potentiellen Kunden zu umgehen. Damit muss Werbung immer wieder versuchen, unkonventionell in mindestens einer von zwei stets zusammen auftretenden Hinsichten sein. Ist sie bezüglich ihres Mediums konventionell (Zeitungs- und Internetseitenwerbung, Plakatwerbung, Fernsehwerbung), kann der Fokus auf unkonventionellen Inhalt (Werbebotschaft, beworbenes Produkt) gelegt werden. Ist der Inhalt konventionell, versucht sie, ein unkonventionelles Medium zu wählen, oder zumindest von diesem unkonventionell Gebrauch zu machen (und ggf. auch verschiedene Werbemedien zusammenzubringen).
Ersteres sieht man oft, letzteres eher nicht so, gerade dieser Weg ist jedoch auffälliger, auf der anderen Seite jedoch fokussierter, weil potentiell nicht so viele angesprochen werden können. Gerade (womit ich Samstag spätnachmittag meine) erreichte mich Werbung der letzteren Art, sie spielte sich vor meinem Fenster unten auf der Straße ab: Da fuhr ein Laster vorbei, der laut Zirkusmusik spielte. Auf ihm standen (oder tanzten) ein paar verkleidete Artisten, zu beiden Seiten, getrennt durch eine große Werbewand, auf der der Zirkusname, die Lokation und ein paar Aufführungstermine zu sehen waren. Nun wäre die Werbung in meinem Fall zwar nicht nötig gewesen, habe ich von meiner Wohnung aus doch freie Sicht auf Veranstaltungsort und Zirkusname, aufgestanden bin ich aber trotzdem. Das Ziel der Werbung wurde also erreicht.
… und eine kleine Einschätzung
Eine ganz andere Frage stellt dar, ob sie dieser Art wünschenswert ist. Dass Werbung nicht nur schlechte Seiten hat, können wir sicherlich ohne Weiteres zugestehen (Sie weist uns auf Produkte oder Einkaufsmöglichkeiten hin, finanziert Zeitungen, Fernsehsender und Internetseiten, ermöglicht also trotz der zensierenden Gefahr, die aus ihren Interessen erwächst und die auch immer wieder real wird, eine große Meinungs- und Informationsvielfalt und schafft, muss man ja der Vollständigkeit halber auch sagen, Arbeitsplätze).
Aber sie geht uns mitunter, sei es durch ihre schiere Omnipräsenz, sei es durch ihre Werbebotschaften, auch auf den Keks. Letztendlich nimmt sie als öffentliches Phänomen, das sehr stark auf jeden in unserer Gesellschaft wirkt, nicht unerheblichen Einfluss auf uns. Daher kommt ihr, und das heißt konkreter den Werbetreibenden, auch eine gewisse Verantwortung zu, die sicherlich oft nicht wahrgenommen wird. Ihr Ziel ist es, wahrgenommen zu werden, was, wie wir gesehen haben, Unkonventionalität erfordert, die in ihrer konkreten Umsetzung nicht immer wünschenswert ist. Sie möchte ins Gespräch kommen. So gesehen hat sie ihr Ziel auch erreicht, wenn man sich über sie aufregt, sie diskutiert. Allerdings ist genau das nötig, um ihr immer wieder die Grenzen aufzuzeigen und Verantwortungsbewusstsein an den Tag zu legen. Denn wer über etwas berichtet oder diskutiert, muss dieses etwas noch lange nicht kaufen, nur weil er, um berichten und diskutieren zu können, irgendetwas davon weiß.
Vom Zirkus gegenüber wusste ich schon, bevor vorhin der Werbe-LKW vorbeifuhr. Hingehen werde ich, trotz der Präsenz, nicht. Hinschauen von hier aus aber schon. Denn schön anzusehen ist das Ganze, das gesteh ich zu. Die Schönheit, ja. Glücklicherweise hat die Werbung auf sie nicht das Monopol.
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