Heute möchte ich mit einer kleinen Serie von täglichen Beiträgen
beginnen, die sich bis zum 24. Dezember hin erstrecken soll. Man könnte
sagen, dass mein Blog in dieser Zeit als eine Art Blog-Adventskalender
oder Adventskalenderblog fungiert.
Eröffnen möchte ich ihn mit einem Beitrag zu Rosa Parks. Sie war eine
Bürgerrechtsaktivistin in den USA, die 1955 großes Aufsehen erregte. In
dieser Zeit gab es in den Bussen Montgomerys (sowie in anderen
US-amerikanischen Städten) drei getrennte Sitzbereiche: Die vordersten
Reihen waren ausschließlich für “Weiße” reserviert. Hier durfte kein
“Farbiger” sitzen, selbst, wenn Plätze oder ganze Reihen unbesetzt waren
und die “Farbigen” stehen mussten. In der Mitte gab es eine Art
Pufferzone: Hier durften die “Farbigen” nur sitzen, wenn keine Weißen in
der selben Reihe saßen. Setzte sich ein “Weißer” in eine Reihe, mussten
alle “Farbigen” in der Reihe ihren Platz verlassen. Im hinteren Teil
des Busses schließlich befand sich der primäre Sitzbereich für die
“Farbigen”.
Der “Montgomery Bus Boykott”…
Rosa Parks saß am 1. Dezember 1955, also genau heute vor 57 Jahren,
auf einem Platz in der Pufferzone und weigerte sich, aufzustehen, als
ein “Weißer” in der selben Reihe Platz nahm. Der Busfahrer sah sich
veranlasst, die Polizei zu rufen. Rosa Parks wurde festgenommen und
verurteilt.
Dieser Vorfall führte zum sogenannten “Montgomery Bus Boykott”: Ü“ber
ein Jahr kämpften die Afroamerikaner für eine Aufhebung der
Diskriminierung in den Bussen speziell und gegen die gesellschaftliche
Diskriminierung überhaupt. Sie benutzten nicht mehr die Busse, sondern
organisierten sich in Fahrgemeinschaften, nachdem Taxifahrern
vorgeschrieben wurde, einen Fahrpreis von mindestens 45 ct. zu
verlangen. Zuvor hatten sie die Protestierenden für 10 ct. befördert.
Weil durch den Boykott der Afroamerikaner die Auslastung der Busse stark
zurückging, wurden die Fahrpreise drastisch erhöht. Die Stadtverwaltung
zeigte jedoch keine Einsicht, daher verständigten sich die Boykotteure
auf eine Klage gegen die Diskriminierung.
Am 13. November 1956, also fast ein Jahr später, wurde dieser Klage
durch den obersten Gerichtshof der USA stattgegeben. Die Trennung der
Sitzbereiche in den Bussen wurde aufgehoben, der Boykott eingestellt.
…und seine Bedeutung bzgl. der Diskriminierung in den USA…
Der “Montgomery Bus Boykott” wurde von Martin Luther King
mitinitiiert und stellte zusammen mit den Protesten im Fall Emmett Till
den Anfang der schwarzen Bürgerrechtsbewegung (Civil Rights Movement)
dar. Diese Bewegung entwickelte sich nicht nur in den USA zum starken
Symbol für das friedliche und beharrliche Aufbegehren ethnischer
Minderheiten gegen Diskriminierung.
Diese Diskriminierung ist in den USA jedoch nach wie vor nicht aufgehoben. Es sind Verbesserungen erzielt worden:
Laut der Botschaft der USA in Deutschland arbeitet die Hälfte der 40
Millionen Afroamerikaner heute in sog. “white collar jobs” (Berufe im
Management und der Verwaltung). Etwas mehr als die Hälfte aller
afromaerikanischen High-School-Absolventen waren innerhalb eines Jahres
an einem College eingeschrieben. Genauere Fakten finden sich nicht (1).
Dem gegenüber stehen ernüchternde Zahlen, die zeigen, dass die
Diskriminierung in wesentlichen Bereichen wie der Arbeitslosigkeit, der
Kindersterblichkeit (was Rückschlüsse auf das Gesundheitssystem zulässt)
oder den Einkommensverhältnissen sogar wieder zugenommen hat:
“Die Arbeitslosigkeit unter Schwarzen war 2003 mehr als doppelt
so hoch wie bei Weißen – 10,8% gegenüber 5,2% – eine größere Diskrepanz
als 1972. Auch die Säuglingssterblichkeit liegt bei Schwarzen höher als
1970. 2001 betrug die Sterblichkeitsrate bei schwarzen Säuglingen 14
pro 1000 Lebendgeburten – sodass sie um 146% höher lag als bei weißen.
1970 war diese Diskrepanz noch um 37% geringer.Auch was die
Einkommensverhältnisse betrifft, hat das schwarze Amerika weniger
Fortschritte gemacht als das weiße. 1968 entsprach – laut Report – 1
Einkommens-Dollar für Weiße 55 Cent für Afro-Amerikaner. 33 Jahre
später, im Jahr 2001, hatte diese Disparität lediglich um 2 Cent
abgenommen. Einkommensgleichheit – so der Report – wäre bei diesem Tempo
frühestens in 581 Jahren zu schaffen. Laut Report wird ein schwarzer
College-Absolvent / eine schwarze College-Absolventin in seinem / ihrem
Leben durchschnittlich $500 000 weniger verdienen als ein weißer / eine
weiße College-Absolventin. Und schwarze Highschool-Abgänger werden im
Durchschnitt $300 000 weniger verdienen – das heißt, falls sie zwischen
dem 25. und 64. Lebensjahr vollbeschäftigt sind.
[...]
Viele Schwarze sind tatsächlich “arm an Reichtümern”. So besaß die
durchschnittliche schwarze Familie 2001 netto $19 000 (Wohnung
inklusive). Bei der (durchschnittlichen) weißen Familie waren es $121
000 Nettowert. Schwarze besaßen 2001 im Durchschnitt nur 16% dessen, was
Weiße besaßen – im Jahr 1989 waren es 5%. Bei diesem Tempo wird es bis
zum Jahr 2099 dauern, bis sich die Besitzverhältnisse im Durchschnitt
angenähert haben.” (2)
…und in Deutschland…
Es gibt ähnliche Entwicklungen in Deutschland. Sie beziehen sich :€œ
verglichen mit den USA – nicht so sehr auf einzelne ethnische
Minderheiten, aber verschärfen ebenso die Diskrepanz zwischen arm und
reich. Ein paar Beispiele:
Insgesamt gibt es derzeit etwas weniger als 1000 Milliardäre
weltweit. Davon sind ca. die Hälfte Amerikaner. Auf Rang zwei folgt
Deutschland mit 55 Milliardären (3)
Das Gesamtvermögen der Deutschen beläuft sich auf 5,4 Bio. EUR
(Schulden herausgerechnet). 2/3 davon besitzen 10 % der Bevölkerung,
wohingegen 2/3 der Bevölkerung kaum etwas davon hat (4).
Nach EU-Maßstab haben mittlerweile 17% aller Erwerbstätigen in
Deutschland ein Einkommen unterhalb der “Armutsgrenze”, was heißen soll,
dass grob jeder 5. Erwerbstätige armutsgefährdet ist. 1996 waren es
noch 12 Prozent. (Die Armutsgrenze liegt bei 60% des mittleren
Einkommens im jeweiligen Land. In Deutschland liegt die Armutsgrenze
damit derzeit für Singles bei ca. 850 EUR/Einkommen pro Monat, für eine
Familie mit 2 Kindern bei 1800 EUR) (5, 6, 7).
Die Bedeutung für uns
Natürlich sind das nur Schlaglichter. Sie sollen allerdings helfen,
einen Schritt zurückzumachen. Man arrangiert sich gerne mit Dingen, die
einem, macht man diesen Schritt zurück und denkt darüber nach, rasch
nicht akzeptabel vorkommen. Das trifft für die
Diskriminierungsproblematik in den USA ebenso zu wie etwa für die
Verteilung der Chancen und des Vermögens in Deutschland oder der Welt.
Ich möchte mit der vorgenommenen Problematisierung nicht sagen, dass ich
meinte, Lösungen zu kennen. Es geht mir darum, eklatante Missstände
zuerst einmal festzustellen. Daraus ergibt sich dann die Notwendigkeit,
Position zu beziehen: Was halte ich davon? Was könnte bestimmte Notlagen
verbessern helfen? Wie könnte ich mich einbringen? (Und natürlich auch:
Wie bringe ich mich schon ein?)
Ich wollte mit diesem Artikel zum Nachdenken über genau solcherart
Fragen anstoßen. Gerade jetzt, wo die Weihnachtszeit beginnt, und die
Tage vielleicht etwas besinnlicher werden, man zum Nachdenken kommt,
bietet es sich an, diese Chance zu nutzen.
Rosa Parks hat durch ihre ganz persönliche Initiative geholfen, für
viele ein großes Problem zu lösen. Sicherlich gelingt so etwas nur sehr
selten. Dafür setzen sich viele Menschen (und vielleicht auch man
selbst) in ungezählten Taten für eine bessere Welt im Kleinen ein. Ihre
Taten finden vielleicht keine größere öffentliche Beachtung, dennoch
sind sie genauso nötig wie etwa das, was Rosa Parks vor 57 Jahren tat.
Wenn wir Nachrichten sehen, von Kriegen, Naturkatastrophen, großen
und kleinen Ungerechtigkeiten hören, dann sollten wir unsere
Verantwortung erkennen und fragen, was wir konkret machen können. Das
heißt nicht, dass wir uns in allem engagieren müssen. So etwas ist nicht
möglich, und genausowenig in unserem Interesse wie in dem anderer (Was
wäre das für eine Welt, in der jeder nach dieser Maxime handelte?). Wir
müssen Prioritäten setzen, und sicher haben wir selbst die größte in
unserem Leben. Aber was uns gut tut, muss nicht egoistisch (in dem
Sinne, dass die anderen nur ein strategisch einzusetzendes Mittel zum
Zweck der eigenen Bedürfnisbefriedigung sind) sein. Es kann große
Befriedigung bereiten, wenn man seinen Standpunkt, sein
Sich-über-alles-stellen zeitweilen verlässt, und sich möglicherweise
auch in größere Zusammenhänge einordnet.
In welcher Art und welchem Maße wir uns engagieren können, ist eine
ganz individuelle Entscheidung. Das Engagement muss auf einen passen,
und muss nicht endgültig sein oder beschränkt bleiben. Nur anstreben
sollte man es. Es lohnt sich ganz bestimmt!
Literaturhinweis:
Ein wunderbares Buch, welches sich der Frage, wieso wir die ܓbel in
der Welt nicht ignorieren und uns stattdessen :€œ in welcher Form auch
immer – engagieren sollten, ausführlicher widmet, stammt von dem
australischen Philosophen Peter Singer. Es trägt den Titel “Wie sollen wir leben” und eignet sich hervorragend als Winterlektüre – oder Weihnachtsgeschenk.
Quellen:
(1) http://usa.usembassy.de/gesellschaft-blacks.htm
(2) http://www.aurora-magazin.at/gesellschaft/baran_usa_frm.htm
(3) http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/;art271,2429698
(4) http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,515793,00.html
(5) http://www.boeckler-boxen.de/cps/rde/xchg/
SID-3D0AB75D-C5A4AA51/boxen/hs.xsl/1116.htm
(6) http://www.tagesspiegel.de/zeitung/Fragen-des-Tages;art693,2429862
(7) http://www.sueddeutsche.de/,ra1m1/deutschland/artikel/125/141817/
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