Der Dadaismus hat eins, genauso wie der Futurismus, und der Kommunismus
sowieso. Ein Manifest. Von Marx und Engels initiiert, folgte eine ganze
Welle weiterer orientierungsschaffender Leuchttürme. Das Bauhaus bekam
seinen eigenen, und auch die Mütter.
Heutzutage jedoch sind Manifeste wieder
etwas aus der Mode gekommen. Wenn noch etwas schwimmt, dann vor allem
öffentliche “Stellungnahmen” in Politik und Wirtschaft. All die
glorreichen Schiffbrüchigen plädieren gemeinsam: Nur nicht festlegen.
Wenn es ein Charakteristikum unserer Zeit gibt, dann ist es das der
Ges(ch)ichtslosigkeit.
Eine verantwortungsvolle Kunst mit dem Anspruch, ihrer Zeit Herr und
damit voraus zu sein, steuert folgerichtig gegen. So übten ein paar
Schriftsteller neuerdings den Sündenfall: Sie schlossen sich zusammen,
um ein Manifest zu schreiben. Als Antwort auf die Frage, was der Roman
denn soll. Hinten raus tönte programmatisch der “relevante Realismus”,
welcher im Text so inhaltsleer beschrieben wird wie er klingt.
Auffällig ist: Selbst hier schwimmen die Formulierungen. Selbst hier
fehlt das Richtungsbekenntnis – bezeichnenderweise bleibt es bei der
bloßen Forderung danach.
Dass die hämischen Kommentare auf den Fuß folgen, ist nur allzu
konsequent. Klare Worte fallen: Vom fehlenden Wir-Gefühl wird da
gesprochen, vom Verhältnis Gott-Individuum (und dazwischen nichts), vom
Anti-Wir, bis hin zur rein deskriptiven Existenz des Romans.
Paradoxerweise konstituiert sich so – reichlich reaktionär – auf den
ursprünglichen Anspruch, ein Manifest geschrieben zu haben, tatsächlich
eine Art Manifest. Jeder trägt seinen Teil dazu bei. Scharfe Zungen
würden ironisch vom relevanten Relativismus sprechen. Der Schriftsteller
Uwe Tellkamp hingegen gibt sich pragmatisch: Es käme lediglich darauf
an, gute Bücher zu schreiben und schlechte zu vermeiden. Der Rest sei
irrelevant.
Na wenn er da mal nicht relativiert wird.
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