Freitag, 27. Mai 2005

Dada, die Mütter und ein Manifest

Der Dadaismus hat eins, genauso wie der Futurismus, und der Kommunismus sowieso. Ein Manifest. Von Marx und Engels initiiert, folgte eine ganze Welle weiterer orientierungsschaffender Leuchttürme. Das Bauhaus bekam seinen eigenen, und auch die Mütter.
Heutzutage jedoch sind Manifeste wieder etwas aus der Mode gekommen. Wenn noch etwas schwimmt, dann vor allem öffentliche “Stellungnahmen” in Politik und Wirtschaft. All die glorreichen Schiffbrüchigen plädieren gemeinsam: Nur nicht festlegen. Wenn es ein Charakteristikum unserer Zeit gibt, dann ist es das der Ges(ch)ichtslosigkeit.

Eine verantwortungsvolle Kunst mit dem Anspruch, ihrer Zeit Herr und damit voraus zu sein, steuert folgerichtig gegen. So übten ein paar Schriftsteller neuerdings den Sündenfall: Sie schlossen sich zusammen, um ein Manifest zu schreiben. Als Antwort auf die Frage, was der Roman denn soll. Hinten raus tönte programmatisch der “relevante Realismus”, welcher im Text so inhaltsleer beschrieben wird wie er klingt.

Auffällig ist: Selbst hier schwimmen die Formulierungen. Selbst hier fehlt das Richtungsbekenntnis – bezeichnenderweise bleibt es bei der bloßen Forderung danach.
Dass die hämischen Kommentare auf den Fuß folgen, ist nur allzu konsequent. Klare Worte fallen: Vom fehlenden Wir-Gefühl wird da gesprochen, vom Verhältnis Gott-Individuum (und dazwischen nichts), vom Anti-Wir, bis hin zur rein deskriptiven Existenz des Romans.
Paradoxerweise konstituiert sich so – reichlich reaktionär – auf den ursprünglichen Anspruch, ein Manifest geschrieben zu haben, tatsächlich eine Art Manifest. Jeder trägt seinen Teil dazu bei. Scharfe Zungen würden ironisch vom relevanten Relativismus sprechen. Der Schriftsteller Uwe Tellkamp hingegen gibt sich pragmatisch: Es käme lediglich darauf an, gute Bücher zu schreiben und schlechte zu vermeiden. Der Rest sei irrelevant.

Na wenn er da mal nicht relativiert wird.

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